10.Mai 2020 - Muttertag

Autor: sisugoethe Datum: Mo, 05/11/2020 - 14:41 Tags: Deutsch lernen

Am zweiten Sonntag im Mai wird in Deutschland Muttertag gefeiert. Zu keinem Tag im Jahr werden mehr Blumen verkauft als zum Muttertag. Das hatten die Begründer*innen dieses Tages nicht im Sinn.

Irgendwie kommt der Muttertag jedes Mal überraschend, auch wenn er immer am zweiten Maisonntag gefeiert wird. Dieses Jahr fällt der Muttertag auf den heutigen 10. Mai 2020. Zum Glück sind die Blumenläden und Tankstellen Deutschlands bestens vorbereitet – seit 1923.

Meine Mutter hat nie großen Wert auf den Muttertag gelegt. Als Kind konnte ich das nicht so recht verstehen. Auch ich habe damals im Kindergarten ungelenke Dankeskarten für die „beste Mama der Welt“ gebastelt und sie zusammen mit meinen Geschwistern und dem Blumenstrauß meines Vaters erwartungsvoll meiner Mutter am Frühstückstisch überreicht. Als ich älter wurde, verstand ich, dass meine Mutter lieber das ganze Jahr gewertschätzt und unterstützt werden wollte, bei all den Tätigkeiten die Mütter in Deutschland ungesehen tagtäglich stemmen, statt einmal im Jahr mit einem Blumenstrauß abgespeist zu werden und bitte ansonsten weiter still fleißig zu sein.

Ursprünge des Muttertags

Müttern wird nicht erst in der jüngeren Geschichte gedacht. Bereits die Griechen verehrten in der Antike die Göttin Rhea, Göttin der Behaglichkeit, der Fruchtbarkeit und der Mutterschaft. Im 13. Jahrhundert führte König Heinrich III den „Mothering Day“ in England ein, an dem sowohl „Mutter Kirche“ als auch leibliche Mütter besucht werden sollten.

Die Wurzeln des heutigen Muttertags liegen in den USA und haben eine durchaus bewegte Entwicklung hinter sich. Anfänglich wurde der Muttertag von der Frauenbewegung geprägt: Die sich der Wohltätigkeit verschriebene Ann Maria Reeves Jarvis begründetet 1865 die Bewegung „Mothers Friendship Day“. Am „Mothers Friendship Day“ organisierte Treffen sollten Müttern zum Austausch und zur Vernetzung dienen. Eine weitere Ursprungslinie ist die 1870 von Julia Ward Howe ins Leben gerufene Mütter-Friedenstag-Initiative. Ziel war, dass kein Sohn mehr auf einem Schlachtfeld sterben sollte.

Zur etwa gleichen Zeit nahmen auch in Europa Frauenbewegungen und Frauenvereine an Fahrt auf, die sich neben Friedensinitiativen und bessere Bildungschancen für Mädchen auch für mehr Anerkennung für Mütter einsetzten.

Als wahre Begründerin des heutigen Muttertags gilt Anna Marie Jarvis, Tochter von Ann Maria Reeves Jarvis. Zum Gedenken an ihre Mutter organisierte sie 2 Jahre nach deren Tod am 12. Mai 1907 in der Methodistenkirche von Grafton (West Virgina) ein Gedächtnis-Muttertagstreffen. Im folgenden Jahr wurde auf Jarvis Drängen die Andacht allen Müttern gewidmet. Anlässlich dieses Ereignisses ließ sie 500 weiße Nelken an anwesende Mütter verteilen. Anna Maria Jarvis machte es sich zur Aufgabe den Muttertag als offiziellen Feiertag einzuführen. Ihre Bewegung wuchs rasch an und zeigte Erfolg: 1914 wurde der Mother’s Day offizieller Feiertag in den USA und breitete sich von dort rund um den Globus aus. Gleichzeitig fand eine steigende Kommerzialisierung des Muttertags statt, die dazu führte, dass sich ausgerechnet Anna Marie Jarvis von der Bewegung abwand und fortan für die Abschaffung des Feiertages kämpfte.

Entwicklung in Deutschland

In Deutschland wurde der Muttertag erstmals am 13. Mai 1923 gefeiert. Der erste Muttertag ging nicht etwa auf eine Fraueninitiative zurück, sondern auf den Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber, die betont unpolitisch mit Plakaten warben wie „Ehret die Mutter“. Der erste Muttertag wurde von Werbekampagnen, Veranstaltungen bis hin zu Muttertagspoesie begleitet. Alles Zutaten, die sich bis heute gehalten haben. Schnell wurde die Initiative ausgeweitet, um für den Muttertag als offiziellen Feiertag zu werben.

Karriere des Muttertags im Dritten Reich

Vor allem den Nationalsozialisten gefiel die Idee des Muttertages. Sie erklären ihn zu einem offiziellen Feiertag, dem „Gedenk- und Ehrentag der deutschen Mutter“. Besonders kinderreiche Mütter wurden als Heldinnen des Volkes geehrt. Religiös anmutende Feiern, so genannten Mütterweihen, wurden inszeniert und ab 1939 wurde besonders „herausragenden Müttern“ zusätzlich das „Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“ verliehen.

Muttertag in der BRD

Auch in der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland wurde die Tradition des Muttertages ab Mai 1950 fortgesetzt, jedoch nicht mehr als offizieller Feiertag. Hinsichtlich gesetzlicher Regelungen zu Ladenöffnungszeiten an Sonntagen geniest der Muttertag eine Sonderstellung: Blumenläden dürfen am Muttertag geöffnet sein. Der Muttertag ist nicht gesetzlich verankert. Die Festlegung auf den zweiten Sonntag im Mai basiert vielmehr auf Übereinkünften von Wirtschaftsverbänden.

In der ersten Zeit des Bestehens der Bundesrepublik wurde der Muttertag wenig in Frage gestellt. Aber spätestens in den 1970 Jahren wurde Feminist*innen die Mütterseligkeit zuwider. In einem Flugblatt von 1971 heißt es: "Zum Muttertag bekommen wir einen Blumen- und einen Kochtopf, dazu eine Schachtel Mon Cherie, damit wir uns der Doppelbelastung von Beruf und Haushalt unterwerfen." Mehr und mehr wurde der Muttertag zu einem Tag für Demonstrationen für Frauenrechte.

Wie hielt es die DDR mit dem Muttertag?

Die DDR lehnte den Muttertag offiziell ab. Stattdessen sollten alle Frauen am Internationalen Frauentag am 8. März gefeiert werden, welcher wiederum in der BRD eine geringe Rolle spielte.

Und heute?

Bis heute wird der Muttertag immer wieder kritisiert. Abgeschafft werden wird er wohl auf lange Sicht hin nicht. Von der Politisierung des Muttertages in den 1970er und 80er Jahren ist jedoch wenig zu spüren. Familienmodelle, Frauenrechte- und teilhabe haben sich seit dem ersten Muttertag in Deutschland 1923 stark gewandelt. Dennoch werden in Kindergärten und Grundschulen landauf und landab weiterhin als fester Bestandteil des frühkindlichen Sozialisation Dankeskarten gebastelt und eifrig Muttertagsgedichte eingeübt. Väter und ältere Kinder sorgen dafür, dass der Muttertag weiterhin von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist und kaufen besonders gerne Pralinen und Blumensträuße. – Notfalls an der Tankstelle, wenn man mal wieder vergessen hat, dass es Zeit für das alljährliche Danke ist.

Autorin

Verena Zimmermann

Leiterin des Goethe-Sprachlernzentrums an der Fremdsprachenuniversität Sichuan

Verena lebte fast 20 Jahre mit ihrer Mutter (und Vater und Geschwistern) in einer Kleinstadt in der Mitte Deutschlands, bevor sie über diverse Umwege für längere Zeit für Studium und Beruf in München landete.