China und Deutschland in Zeiten des Coronavirus

Autor: goethe-institut Datum: Mo, 05/18/2020 - 10:17 Tags: Deutsch lernen

Wie ich die Corona Krise in China und in Deutschland erlebt habe.

Hallo, mein Name ist Sören Winter. Ich komme aus Köln in Deutschland, bin 19 Jahre alt und absolviere seit September 2019 einen Freiwilligendienst in Nanjing am JESIE-Goethe Sprachlernzentrum.

Ein Virus stellt jede Kultur, jedes Land vor immense Herausforderungen. In den Zeiten von Corona wurde mir das sehr deutlich. Als ich im Januar das erste Mal von dem Virus hörte, habe ich mir dabei nicht wirklich viel gedacht, geschweige denn, dass ich deswegen bald wieder nach Deutschland reisen müsste. Während des chinesischen Frühjahrsfests wurde mir dann langsam klar, dass dieses für mich noch immer unbekannte Virus ein sehr ernsthaftes Problem ist. Viele Restaurants und Geschäfte blieben auch nach den Feiertagen geschlossen. Das gleiche galt für Schulen, Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen. Auch in unserem Sprachlernzentrum wurden Offline-Sprachkurse, Deutschprüfungen und Kulturveranstaltungen auf unbestimmte Zeit verschoben. Menschen durften teilweise nicht mehr ihre Wohnung verlassen und ganze Städte und Regionen wurden unter Quarantäne gestellt Die Straßen so leer zu sehen war ein äußerst merkwürdiger Anblick. Dort wo ich wohnte, waren immer viele Leute draußen auf der Straße unterwegs. Die wenigen Menschen, die jetzt noch draußen waren, trugen Masken. Wenig später galt strikte Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder den noch offenen Restaurants. Draussen erinnerten riesige Werbemonitoren daran, eine Maske zu tragen. Auf bestimmten Apps konnte man sehen, wo in der Stadt die Infizierten sich aufgehalten hatten und wie viele Fälle es noch gibt. Öffentliche Plätze, Hotels und Bahnhöfe konnte man nur noch nach erfolgter Fiebermessung betreten. Anfangs merkwürdig, wurden diese Kontrollen dann schnell zur Gewohnheit.

Kulturschock in der Heimat?

Aufgrund der schwierigen Situation in China habe ich mich Anfang Februar dazu entschieden wieder nach Deutschland zu fliegen. In Deutschland angekommen, zeigte sich ein komplett anderes Bild. Hier hatte alles noch offen: Geschäfte, Restaurants und öffentliche Einrichtungen. Corona war nur in den Medien ein Thema, im Fernsehen wurde über die Situation in China berichtet. In Köln und in vielen anderen deutschen Städten wurde, wie jedes Jahr, Ende Februar Karneval gefeiert. Viele Leute fuhren in den Skiurlaub. Lediglich 16 Personen hatten sich in Deutschland bis zum 24. Februar mit dem Virus infiziert. Die Situation schien unter Kontrolle.

Drei Wochen später hatte sich die Situation komplett verändert. In Italien wurde die Anzahl der Infizierten immer höher. Auch in Deutschland war das Virus angekommen und nicht mehr kontrollierbar. Viele Leute hatten sich im Skiurlaub oder während der Karnevalsfeiern angesteckt. Als erste Maßnahmen wurde die Schließung der Grenzen beschlossen, wenig später folgten Restaurants und Kneipen. Es gab noch ein paar „Geisterspiele“ im Fernsehen zu sehen, bevor man sich entschloss, alle Fussballspiele bis auf weiteres abzusagen. Ähnlich wie in China schlossen kurz darauf Schulen, Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen ihre Pforten.

Unterschiede zu China?

Viele Menschen in Deutschland waren beunruhigt und tätigten „Hamsterkäufe“. Alltägliche Dinge wie Klopapier, Seife und Küchenrollen waren in den Supermärkten kaum noch aufzufinden. Ein Phänomen, welches ich in China so nicht mitbekommen habe. Wenig später wurde der Kontakt mit Menschen untersagt, die nicht im selben Haushalt leben. Der Besuch von Personen, die der sogenannten „Risikogruppe“ zuzurechnen sind, beispielsweise Rentner und Kranke, war nur noch in Ausnahmefällen möglich. Ausgangsbeschränkungen wie in China oder auch in Italien oder Österreich gab es in Deutschland hingegen nur im Bundesland Bayern. Allerdings durfte man anderswo die Wohnung nur noch für die wichtigsten Erledigungen und höchstens in Begleitung eines anderen Familienmitglieds verlassen. In den noch geöffneten Supermärkten galt striktes „social distancing“ – ein Abstandsgebot von mindestens 1,5 Metern zur nächst entfernten Person.

Wie ändert sich der Alltag in Deutschland?

Aufgrund des ungewöhnlich guten Wetters sah man im März in Köln am Rhein oder in Parks dennoch viele Menschen.

Damit ging eine erhöhte Präsenz an Polizisten und Ordnungshütern einher, um sicherzustellen, dass die Leute sich an die Beschränkungen halten. Die meisten taten das, doch sah man immer wieder größere Gruppen eng beieinander stehen. Bei Zuwiderhandlungen wurden hohe Geldstrafen von bis zu 500 Euro ausgesprochen.

Auch Fitnessstudios und Sportvereine sind weiterhin von den Maßnahmen betroffen. Daher sieht man in Köln zur Zeit oft Leute, die draußen alleine oder zu zweit joggen oder spazieren gehen. Für viele ist der Alltag deutlich langweiliger geworden, da man den Tag meist zuhause verbringt und im Homeoffice arbeitet. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Leute Abwechslung suchen und draussen Sport treiben.

Mittlerweile gibt es auch Deutschland eine Maskenpflicht, die allerdings nur auf Geschäfte und öffentliche Verkehrsmittel beschränkt ist. Es ist sehr ungewöhnlich, so etwas auch hier zu sehen. Bilder, die man normalerweise vor Augen hat, wenn man an China denkt, sind hier jetzt auch in Deutschland zur Realität geworden.

Mein Fazit

Für mich war es interessant zu sehen, wie zwei sehr unterschiedliche Länder gegen die Ausbreitung des Virus bekämpfen und wie die Menschen dieser zwei sehr unterschiedlichen Kulturen mit der ungewöhnlichen Situation umgehen. Viele der beschlossenen Maßnahmen waren anfangs auch für mich erschreckend - sowohl hier in Deutschland auch als in China. Mittlerweile gehört es jedoch zum Alltag und man gewöhnt sich dran. In manchen Bereichen würde ich jedoch sagen, dass China doch ein bisschen fortschrittlicher ist wenn es um die Bekämpfung des Virus geht. Das beste Beispiel dafür ist die App, welche anonymisierte Informationen über infizierte Fälle in der Nähe und deren Aufenthaltsort liefert. Ein effizienter Weg, um Leute vor einer möglichen Infektion zu schützen.

Text: Sören Winter, Florian Welzel