Etymologie – die Geschichte der Sprachen

Autor: sisugoethe Datum: Mo, 07/13/2020 - 10:06 Tags: Deutsch lernen

Unter „Etymologie“ versteht man die Lehre oder Wissenschaft von der Herkunft und Entstehung sprachlicher Phänomene, auf Deutsch würde sie Sprachgeschichtslehre oder Sprachgeschichtswissenschaft heißen. Die Etymologie ist eine Abteilung der Sprachwissenschaft.

Wozu brauchen wir die Etymologie denn?

Erstens lernen wir mit der Sprachgeschichte ein Stück der Geschichte unserer eigenen Kultur und der Kulturen vieler anderer Völker kennen.

Zweitens können wir mithilfe der Etymologie alte Schriftzeugnisse unbekannter Sprachen entschlüsseln, die zu unserer Sprachfamilie gehören.

Drittens hilft uns die Etymologie beim Sprachenlernen: Wenn wir eine Fremdsprache neu lernen wollen, erkennen wir mit den etymologischen Regeln, welche neuen Wörter mit welchen Wörtern in schon gelernten Sprachen verwandt sind. So können wir uns die Bedeutung der neuen Vokabeln leichter merken.

Was erforscht die Etymologie?

Sprachen verändern sich im Lauf von Jahrhunderten und Jahrtausenden. Das Deutsche hat sich in den letzten tausend Jahren so stark verändert, dass wir die damaligen Texte, das sogenannte „Althochdeutsch“, heute kaum noch verstehen können. Wir müssen es fast wie eine Fremdsprache lernen.

Das Deutsche ist aus einem Dialekt des sogenannten „Urgermanischen“ entstanden, das vor etwa 3000 Jahren in Norddeutschland und Skandinavien gesprochen wurde. Von dieser Sprache ist uns nichts Schriftliches erhalten. Wir können sie aber teilweise rekonstruieren, da aus dem Urgermanischen mehrere Sprachen entstanden sind, die zur althochdeutschen Zeit oder früher in Nord-, Mittel- und Südosteuropa gesprochen wurden und uns Inschriften und sogar Bücher hinterlassen haben. Wenn wir diese sehr ähnlichen Sprachen miteinander vergleichen, können wir erschließen, wie das Urgermanische ungefähr ausgesehen hat. Die meisten nordeuropäischen Sprachen, neben Deutsch vor allem Holländisch, Dänisch, Norwegisch und Schwedisch, haben sich aus dem Urgermanischen entwickelt. Wir sprechen daher von der germanischen Sprachfamilie.

Der Vergleich zwischen Französisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch zeigt, dass auch diese Sprachen eng verwandt sind. Sie gehören zur romanischen Sprachfamilie. Die Ursprache, von der sie abstammen, kennen wir aber sehr gut: Es ist das Lateinische.

Das Englische ist ein Sonderfall: Eigentlich war es eine germanische Sprache, die aus norddeutschen Dialekten entstanden ist, deren Sprecher auf die britischen Inseln auswanderten. Nach der Eroberung Englands durch die französischsprachigen Normannen im Jahre 1066 vermischte sich das Germanische mit dem Altfranzösischen der Eroberer zu einer neuen Sprache, die man weder der germanischen noch der romanischen Sprachfamilie klar zuordnen kann.

Wenn wir das Urgermanische mit dem Lateinischen, Altgriechischen, Altindischen und vielen anderen alten Sprachen vergleichen, stellen wir fest, dass diese Sprachen sich ebenfalls so ähnlich sind, dass dies nicht auf Zufall oder Übernahme von Wörtern aus einer Sprache in die andere beruhen kann. Auch diese Sprachen hatten also eine gemeinsame Ursprache, die wir durch Sprachvergleich ungefähr rekonstruieren können. Sie wurde vor ungefähr 5000 Jahren wahrscheinlich an der Nordküste des Schwarzen Meers von einem Volk gesprochen, das leider nichts Schriftliches hinterlassen hat. Das Volk nennen wir „Ur-Indogermanen“, ihre Sprache „Ur-Indogermanisch“. Alle davon abstammenden Sprachen bilden die indogermanische Sprachfamilie (auch „indoeuropäische Sprachfamilie“ genannt), die insgesamt über 400 Sprachen umfasst.

Die etymologische Forschung rekonstruiert zum einen das Urgermanische und das Urindogermanische aus den bekannten europäischen und asiatischen Sprachen, soweit sie miteinander verwandt sind. Zum anderen findet sie möglichst genau die Regeln heraus, nach denen sich die neueren Sprachen aus den älteren entwickelt und auseinander entwickelt haben.

Manchmal sehen sich die verwandten Wörter noch sehr ähnlich und haben dieselbe Bedeutung, wie in den folgenden Beispielen (vor die rekonstruierten Wortformen setzt man ein Sternchen: *):

Der Fuß

deutsch:  Fuß (Gen. Fußes)

      englisch:  foot (Gen. foot’s)

      lateinisch:  pēs (Gen. pedis)

      griechisch:  poús (Gen. podós)

      alt-indisch:  pā́t (Gen. padás)

      ur-indogermanisch:  *pōds (Gen. *pedós)

Der Vater

deutsch.:  Vater  (Aussprache wie „Fater“) (Gen. Vaters)

      english.:  father (Gen. father’s)

      lateinisch.:  pater (Gen. patris)

      griechisch.:  patḗr (Gen. patrós)

      alt-indisch.:  pitā́ (Gen. pitúr)

      ur-indogermanisch.:  *pǝtḗr (Gen. *pǝtrós)

Quellen: Duden, https://learnattack.de/